Das erste Jahr von Jacqueline Thör – Interessante Idee, mangelnde Umsetzung
Als passionierte Leserin von fantastischen, paranormalen Geschichten gebe ich zu, dass ich mich auf Das erste Jahr, den ersten Band der vielversprechenden Psychos-Reihe von Jacqueline Thör, gefreut habe. Leider muss ich jedoch konstatieren, dass meine Erwartungen bei Weitem nicht erfüllt wurden. Fast 60% des Buches musste ich mich durchkämpfen, bevor ich schließlich resigniert aufgab. Trotzdem möchte ich fair bleiben und das, was ich aus dem Gelesenen mitnehmen konnte, reflektieren.
Ein Internat für übernatürlich talentierte, psychisch erkrankte Jugendliche.Und fünf Freunde, die einen Mord aufklären.
Als Noah wegen einer erneuten ungewollten Verwandlung von der Schule verwiesen wird, bricht für ihn eine Welt zusammen. Doch dann bekommt der Identitätswandler an der Akademie eine neue Chance. Auf dem Internat für Psychalents lernt er, seine Gabe zu kontrollieren. Und nicht nur das. Zum ersten Mal erfährt er, was es heißt, Freunde zu haben. Und wie es sich anfühlt, verliebt zu sein. Allerdings ist nicht alles auf Burg Auwia zauberhaft. Als Noah und seine Freunde davon Wind bekommen, dass ein paar ihrer Mitschüler und Mitschülerinnen womöglich einen Mord, einen Doppelmord an Non-Psychos begangen haben, beginnt für sie eine gefährliche Jagd nach der Wahrheit ...
Ein wesentliches Element, das mich frühzeitig abstumpfen ließ, waren die Charaktere. Bis Seite 200 blieben sie für mich bedauerlicherweise blass und uninspiriert. Ihr Mangel an Entwicklung machte es mir schwer, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen. Ich sehnte mich nach Nuancen, nach Tiefe, doch stattdessen wurden sie mit belanglosen Details gefüllt, die keine substanzielle Verbesserung brachten. Die Autorin hat vielleicht unabsichtlich übersehen, dass es die inneren Konflikte und Wachstumsphasen sind, die Figuren wirklich zum Leben erwecken.
Ein weiterer Mangel lag in der Handlung. Das Fehlen jeglicher Spannungsbögen führte bedauerlicherweise ebenfalls zum Abbruch des Buches. Die Doppelmord-Erwähnung im Klappentext verhieß ein mitreißendes Element, das jedoch auf sich warten ließ. Wobei der Prolog hat einen guten Blick in diese Richtung schweifen ließ. Es ist enttäuschend, wenn eine Buchbeschreibung Versprechungen macht, die erst im letzten Drittel erfüllt werden, und selbst dann war die Ausführung nicht genug, um die Langeweile zu kompensieren.
Trotz dieser Mängel muss ich anerkennen, dass die Idee hinter der Geschichte potenziell interessant ist. Thör hat zweifellos eine unkonventionelle Herangehensweise gewählt, und ihr flüssiger Schreibstil verdient Lob. Es gibt Momente, in denen die sprachliche Gestaltung überzeugt, auch wenn sie oft nicht genug war, um die erheblichen Schwächen der Charaktere und der Handlung zu überdecken.
CAWPILE
Characters
Atmosphere
Writing
Plot
Intrigue
Logic
Enjoyment
Overall:
Fazit
Letztendlich erkenne ich an, dass ich möglicherweise nicht zur richtigen Zielgruppe dieses Buches gehöre. Für Leser, die sich von unkonventionellen Geschichten angezogen fühlen und weniger Wert auf Charakterentwicklung und Spannung legen, könnte Das erste Jahr dennoch einen gewissen Reiz haben. Aus diesem Grund vergebe ich trotz meiner persönlichen Enttäuschung zwei Sterne. Es bleibt zu hoffen, dass die folgenden Bände der Reihe die Schwächen des Erstlings überwinden und das Potenzial der Idee voll ausschöpfen können.
About Jacqueline Thör
Jacqueline Thör, geboren 1993 in Essen, studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Germanistik, Philosophie und Journalistik. Ihren Master schloss sie 2016 mit Auszeichnung ab. Nach Stationen bei der ZEIT und der FAS erschien 2019 ihr viel gelobter Debütroman Nenn mich einfach Igel im Elif Verlag – Die Coming-of-Age-Geschichte sei „mit allen literarischen Wassern gewaschen“ urteilte beispielsweise Britta Heidemann, Kultur-Redakteurin der WAZ. Anfang 2022 folgte der Gedichtband "obwohl sich eure gesichter fast berühren" in der edition offenes feld. Der Kritiker Hauke Harder schrieb hierzu: »Alles ist rhythmisch, klangvoll und durchdacht. Aber auch das Schlichte zeigt sich hier und dort. Das Meiste ist einfach traurig schön zu nennen.« Weitere Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften wie den horen und schliff.
Ich bin gefühlt 1 Million Seiten alt. Ich habe tausende Leben gelebt, habe geliebt, getrauert und bin viele Tode gestorben. An fast allen Flecken der Erde und in vielen neuen Welten hatte ich ein Zuhause. Ich habe viele Freunde gefunden und auch viele Feinde bekämpft. ─ Gute Bücher werden nicht gelesen, sie werden gelebt und am Ende jeden Buches bleiben wir verändert zurück. Im Vergleich dazu erscheint die Realität ab und an einfach nur noch grau. ─ Es heißt, dass wir die HeldInnen unserer eigenen Geschichten sind, oder eben der Bösewichte. Oft erscheint es aber sehr realistisch, als seien wir Leser eher die tragisch-komischen Nebenfiguren. ─ Goodreads Librarian | Meine Buchwunschliste. ;)
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